Bemerkungen zur Erschießung deutscher Gefangener durch französische Partisanen im Juni 1944

Mitte Mai 2023 berichtete ein 98-jähriger ehemaliger Angehöriger der französischen Widerstandsbewegung öffentlich von einer Erschießung deutscher Gefangener durch seine Partisaneneinheit im Juni 1944, an der er beteiligt war. Unser Autor Ahlrich Meyer fasst die Aussagen Edmond Réveils sowie das internationale Medienecho zusammen und ordnet das Ereignis in den Kontext der deutschen Kriegsverbrechen in Frankreich ein, über deren Ausmaß bis heute in Deutschland nur selten gesprochen wird. Ahlrich Meyers Beitrag ist eine Vorveröffentlichung aus Heft 36 und findet sich hier zum kostenfreien Download.

Nachruf auf Mario Tronti (1931–2023)

Am 7. August 2023 ist Mario Tronti im Alter von 92 Jahren gestorben. Er war eine der Hauptfiguren des „italienischen Operaismus“, dessen Grundgedanken er in seinen Artikeln für die Zeitschrift Quaderni Rossi (1961–1963) und vor allem in dem Buch Operai e capitale (1966) formuliert hat. Unser Autor Sergio Bologna zeichnet die politische Entwicklung seines ehemaligen Genossen und Freunds nach und würdigt seinen Beitrag für den Operaismus, der in den autonomen Kämpfen der Arbeiter*innenklasse lebendig bleibt. Der Nachruf kann hier heruntergeladen werden.

Die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung und ihre Internationalisierung

Über die Geschichte der Frauenbewegungen gibt es eine Fülle an Material und Erzählungen, wobei meist der Fokus auf den bürgerlichen Frauenbewegungen liegt. Unsere Autorin Gisela Notz beleuchtet in ihrem Artikel dagegen die Anfänge und ersten Organisationsformen der proletarischen Frauenbewegung vor dem Hintergrund der damaligen Arbeits- und Lebensbedingungen von Industriearbeiterinnen, Heimarbeiterinnen und Dienstbotinnen. Die Kämpfe, Erfolge und Niederlagen der proletarischen Frauenbewegung verdeutlichen, dass ihre Trägerinnen von Beginn an eine intersektionale Perspektive verfolgten. Aus ihren Erfahrungen leiteten sie schließlich die Notwendigkeit einer internationalen Ausrichtung ab. Die Vorveröffentlichung von Gisela Notz‘ Beitrag aus Heft 36 findet sich hier zum kostenfreien Download. Der proletarischen Frauenbewegung widmet sich auch die Zeitschrift Arbeit – Bewegung – Geschichte in ihrem aktuellen Schwerpunktheft.

Nachruf auf Adolfo Gilly (1928–2023)

Am 4. Juli 2023 starb Adolfo Atilio Gilly Malvagni in Mexiko-Stadt. Der in Europa wohl vornehmlich unter Latein­amerikawissenschaftler:innen bekannte Historiker trug mit seinem Werk wesentlich zu einer kritischen Historiographie der mexikanischen Revolution bei. Unser Redakteur Lars Stubbe erinnert in einem Nachruf an den militanten Intellektuellen und Chronisten der mexikanischen Revolution.

Kommunistische Bewegung in der Weimarer Republik und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Unser Redakteur Hartmut Rübner beschäftigt sich in seinem Forschungsbeitrag „Kommunistische Bewegung in der Weimarer Republik und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Neuere Untersuchungen und Forschungsschwerpunkte“ mit den Fortschritten und Sackgassen der Forschung seit den 1990er Jahren. Zur Bestimmung des Verhältnisses von Utopie und Wirklichkeit in der Geschichte des Kommunismus müssen, so unser Autor, zwei Seiten unterschieden werden: einerseits eine soziale Bewegung, die als Abspaltung von der systemintegrierten Sozialdemokratie auf die Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse in der Klassengesellschaft reagierte, und andererseits die realsozialistischen Diktaturen an der Macht. Obwohl das kommunistische Spektrum viele Nebenströmungen und Abspaltungen umfasst, wird es doch meist auf die KPD reduziert – ein Bild, das Hartmut Rübners Beitrag korrigiert. Der erste Teil dieses Artikels ist bereits in Heft 34 von Sozial.Geschichte Online veröffentlicht, der zweite Teil kann nun hier – als eine Vorveröffentlichung aus Heft 36 – heruntergeladen werden.

Den Kriegsdienst verweigern – in Russland, der Ukraine, überall …

Connection e.V. unterstützt seit vielen Jahren Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus und in aller Welt. Auch im Krieg, den Russland aktuell gegen die Ukraine führt, steht die Initiative auf der Seite der Verweigerer. Wir sprachen mit Rudi Friedrich, einem Gründungsmitglied des Vereins, darüber, welche Bedeutung Desertion in diesem Krieg hat, welche Behandlung Deserteure in ihren Herkunftsländern und im Exil erfahren und wie sie in der Bundesrepublik aufgenommen werden. Das Gespräch endet mit der Frage, was Kriegsdienstverweigerung zur Beendigung dieses Kriegs beitragen kann. Der Betrag ist Nr. 2 von 3 in einer kleinen Reihe von Interviews zu Perspektiven auf den Krieg des russischen Staates gegen die Ukraine „von unten“. Davor haben wir die Gruppe Karmína zu ihrer Analyse der Situation der ukrainischen Arbeiter:innenklasse befragt. Beide Text erscheinen in Heft 34 von Sozial.Geschichte Online, das Interview mit Connection findet sich hier:

Migration and Work – Theoretical Perspectives under the Impression of Multiple Crises

In many countries, including Germany and Austria, the pandemic has both exposed and generated conflicts around migrant labor. Social.History Online has published several texts on struggles of migrant workers since March 2020, including analysis of conflicts over mass infections or labor unrest in agriculture or the meat industry. Johanna Neuhauser and Peter Birke discuss theoretical perspectives with which this cycle of conflicts can be read. For a better understanding of the perspectives of anti-racist and workplace struggles, they suggest to connect critical migration and labor research. The text is a pre-publication of issue 34 of our journal, which will be published in spring 2023. Free download here:

Karmína on “The Tragedy of the Ukrainian Working Class”

How have social-economic conditions in Ukraine developed since the 1990s? What role has the labor movement played? How and with what goals have labor struggles been waged? And what is currently changing as a result of the war? An interview with the Karmína collective, which recently published an in-depth analysis on these issues. /// Wie haben sich die sozial-ökonomischen Verhältnisse in der Ukraine seit den 1990er Jahren entwickelt? Welche Rolle spielte die Arbeiter:innenbewegung? Wie und mit welchen Zielen wurden Arbeitskämpfe geführt? Und was verändert der Krieg? Peter Birke führte ein Interview mit dem Karmína-Kollektiv, das kürzlich einen ausführlichen Text zu diesen Fragen veröffentlicht hat, der jetzt auch in deutscher Sprache erschienen ist. Unsere Vorveröffentlichung zu Heft 34 ist der erste in einer Reihe von Texten, die sich mit der Wahrnehmung des Krieges gegen die Ukraine „von unten“ befassen, siehe das Editorial unserer aktuellen Ausgabe. Das von Peter Birke geführte Gespräch erscheint in Kürze auch in deutscher Sprache. Click here to download the interview / Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 34 findet sich hier.

Anja Röhl: Kindererholungsheime als Forschungsgegenstand

Zwischen den 1950er und 1980er Jahren wurden in der Bundesrepublik etliche Millionen Kinder ohne ihre Eltern für Wochen zur vermeintlichen „Erholung“ in Heime und Heilstätten geschickt. Die in diesem Rahmen verübte systematische Gewalt an Kindern wurde jahrzehntelang ignoriert. In den letzten Jahren haben sich ehemalige „Verschickungskinder“, wie sie sich selbst nennen, begonnen zu organisieren und ihre Erfahrungen öffentlich zu machen. Anja Röhl nimmt in ihrem Forschungsbeitrag über Kindesmisshandlungen im Rahmen der „Heimverschickung“ einen bislang wenig beleuchteten Aspekt in den Blick, indem sie der Frage nachgeht, welche Rolle damalige Erwachsene als Zeitzeug*innen spielen. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 31 der Sozial.Geschichte Online findet sich hier zum kostenfreien Download. Am 14. Mai 2022 findet im Hamburger Thalia Theater die Premiere des Stücks „HEIM|WEH. Kinderkuren in Deutschland“ statt, das u. a. auf Anja Röhls Forschungen aufbaut. Weiterlesen

Rezension: Karl Heinz Roth, Blinde Passagiere

Karl Heinz Roth hat mit Blinde Passagiere eine Untersuchung der COVID-19-Pandemie vorgelegt, die alles bisher zu diesem Thema Geschriebene in den Schatten stellt. Mit der ihm eigenen Gründlichkeit geht Roth den epidemiologischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Pandemie nach und stellt dabei eine beeindruckende Fähigkeit zur Synthese enormer Datenmengen unter Beweis. Roth benennt die gesundheitspolitischen Versäumnisse, aufgrund derer das frühzeitige Eindämmen der Pandemie scheiterte, positioniert sich als Kritiker pauschaler Lockdowns und skizziert eine alternative, auf autoritäre Maßnahmen verzichtende Pandemie-Politik. Unser Rezensent Max Henninger würdigt Roths Leistung, fragt aber auch kritisch, inwiefern die in Blinde Passagiere formulierten Einschätzungen und Vorschläge dem Vergleich mit der seit Erscheinen des Buches sich abzeichnenden neuen Dynamik der Pandemie standhalten. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 31 findet sich hier.

Sergio Bologna: Wir dürfen der extremen Rechten nicht die Idee der Freiheit überlassen!

Dieser Text unseres langjährigen Autors ist vor kurzem als Beitrag zur Kritik der Bewegungen der Impfverweigerer in Italien in der Zeitschrift „Officina Primo Maggio“ erschienen. Sein Inhalt hat aus unserer Sicht eine Bedeutung weit über die Situation in Italien hinaus und viele Parallelen zur Diskussion in Deutschland und allgemein im Westen. Im Zentrum steht der in den  no-vax-Demos in Italien vielfach evozierte Begriff der „Freiheit“, der unter der trumpistischen Rechten zu einem Mantra geworden ist. Bologna diskutiert die Entwicklung der Impfverweigerungsszene mit ihren „Freiheits“-Begriff im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer neuen Entwicklungsstufe der Produktivkräfte, in denen die Macht der Internetgiganten die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit neu strukturiert. Der Autor kritisiert den Mangel historischen Bewusstseins bezüglich linker Konzepte in der Gesundheitspolitik angesichts der Coronapandemie. Schließlich weist Forderungen nach einem Verbot faschistischer Parteien wegen jüngster Angriffe auf die Gewerkschaften zurück, weil er es Aufgabe auch der Linken sieht, eine grundlegende Auseinandersetzung mit diesen Kräften zu führen. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 31 findet sich hier.

Sergio Bologna, Die Besonderheit der aktuellen Krise

In seinem neuen Artikel geht unser Autor Sergio Bologna auf die Determinanten der aktuellen Logistikkrise ein, die in den zentralen westlichen kapitalistischen Staaten zu akuten Versorgungsproblemen in Industrie, Dienstleistung und bei Verbraucher:innen führen. Hintergrund der extrem gestiegenen Bedeutung der Logistik ist die ab den 1970ern einsetzende massive Deregulierung der Arbeitsbeziehungen, die in der Industrie zum Verzicht auf Lagerhaltung und zur Reduzierung von Redundanz führten: Just-in-time-Produktion und lean production waren seit den 1980ern Schlagworte, ohne die kein Manager in den Fabriken der Massenproduktion noch Karriere machen konnte.

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Was stört? Anmerkungen zur Repressionsentwicklung und zur mediterranen „Black Box“ der EU

Helmut Dietrich thematisiert in seinem Beitrag gegenwärtige EU-Strategien der Repression von Fluchthilfe: einerseits die humanitär begründete Kriminalisierung mutmaßlicher Bootsfahrer, denen Schleusung und Gefährdung von Menschenleben vorgeworfen wird, andererseits die Ausbildung einer Art Feindstrafrechts gegen das fluchtsolidarische Monitoring, das auf das stille Massensterben im Mittelmeer aufmerksam macht und das zunehmend mit paramilitärischen und geheimdienstlichen Methoden bekämpft wird. Er schlägt zwei Antworten auf diese Kriminalisierungen vor: eine alltägliche politische wie soziale Zuwendung gegenüber in Südeuropa inhaftierten „Bootsfahrern“ zu entwickeln sowie der Kriminalisierung von Supportern an der EU-Peripherie mit Verweigerung und Protesten vor den EU-Zentren zu begegnen. Die Vorveröffentlichung aus Heft 30 findet sich hier als kostenfrei zugängliche PDF.

Rezension zu Iris Därmann, Undienlichkeit

Die Kulturwissenschaftlerin Iris Därmann begibt sich in ihrer Essaysammlung „Undienlichkeit. Gewaltgeschichte und politische Philosophie“ auf eine Spurensuche nach Widerstandsformen und Überlebensstrategien gegenüber kolonial- und vernichtungspolitischer Gewalt. Ahlrich Meyer unterzieht Därmanns Buch einer kritischen Würdigung und ordnete ihre Überlegungen – ähnlich seiner jüngst vorveröffentlichten Rezension von Michael Rothbergs „Multidirektionale Erinnerung“ – in die gegenwärtige Diskussion über eine Neuausrichtung der Erinnerungspolitik ein. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 30 findet sich hier.

Rezension zu Rothberg, Multidirektionale Erinnerung

Der Literaturwissenschaftler Michael Rothberg hat mit Multidirektionale Erinnerung eine Untersuchung über die Entstehung des Holocaustgedenkens im Zeitalter der Dekolonisierung vorgelegt, die hierzulande teils heftige Polemiken ausgelöst hat. Ahlrich Meyer diskutiert Vorzüge und Schwächen des Buches und geht auch auf die aktuelle Diskussion um ‚Erinnerungskultur‘ und ‚Opferkonkurrenz‘ ein. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 30 findet sich hier.

Kniefall ohne Aufstand. Erinnerungen an den Dezember 1970 in der Volksrepublik Polen

Während der fünfzigste Jahrestag des „Kniefalls von Willy Brandt“ und der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags in bundesdeutschen Printmedien, Radio und Fernsehen eine breite Öffentlichkeit fand, scheint der Aufstand der Werftarbeiter:innen vergessen. Unsere Redakteurin Sarah Graber Majchrzak zeigt den unmittelbaren Zusammenhang beider Ereignisse und diskutiert die Bedeutung, die den Protesten der Arbeiter:innen im Dezember 1970 für die Entstehung der Solidarność und darüber hinaus zukommt. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 29 der Sozial.Geschichte Online findet sich hier zum kostenfreien Download.

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Die Verrückten und die Weisen – Reflexionen über das Ende der Präsidentschaft Trumps

Ist Trump wirklich verschwunden? Nach dem gescheiterten Sturm auf das Kapitol fragt unser Autor Jacques Rancière nach den Abgründen der Vernunft, die die Herrschaft Trumps ermöglicht haben und verweist auf die Bedingungen eines neuen Denkens, in dem diese verrückte Form der Vernunft überwunden werden kann. Der Text ist eine Übersetzung aus dem Französischen von Lars Stubbe und eine Vorveröffentlichung zu Heft 29. Er kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

„Nicht rechts, nicht links“? Ideologien und Aktionsformen der „Corona-Rebellen“

Gerhard Hanloser diskutiert in dieser Vorveröffentlichung zu Heft 29 das Phänomen der „Corona-Rebellen“ auf der Grundlage von deren Veröffentlichungen sowie von Beobachtungen auf Demonstrationen. Er analysiert diese Protestbewegung in drei Kategorien: politische Ideenwelt, beobachtbarer Habitus und unbewusste Motive. Mit einem Rückgriff auf die kritische Sozialpsychologie skizziert er die regressiven Triebkräfte der Proteste. Unsere Vorveröffentlichung aus Heft 29 der Sozial.Geschichte Online findet sich hier zum kostenfreien Download.

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Corona-Pandemie: Gesundheitsschutz, Arbeitsverhältnisse, Pflegearbeit

Viele Regeln, die im „privaten“ Lebensbereich in Bezug auf Abstand und Hygiene in COVID-19-Zeiten selbstverständlich sind, gelten in der Arbeitswelt nicht. Wolfgang Hien diskutiert in dieser Vorveröffentlichung zu Heft 29 unserer Zeitschrift die Ursachen dieser Beobachtung. Dabei stellt er Ergebnisse einer eigenen empirischen Studie vor, die nach dem März 2020 in Krankenhäusern und Altenheimen stattgefunden hat. Er plädiert für eine selbstorganisierte „Gesundheitsbewegung“, die an Erfahrungen sozialer Kämpfe um Arbeitsverbesserungen aus der Vergangenheit anknüpfen müsse. Der Text findet sich hier: sgo_29_vorveroeffentlichung_hien_covid_arbeitsschutz_pflege.

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Die Fleischindustrie in der Coronakrise. Eine Studie zu Arbeit, Migration und multipler Prekarität

Peter Birke untersucht in dieser Vorveröffentlichung zu Heft 29 die Corona-Krise in der deutschen Fleischindustrie. Die Studie zeigt, welche Rolle migrantische Proteste für das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit spielten. Am Ende wird nach der Reichweite dieses Verbots gefragt, angesichts „multipler Prekarität“ von Migrant*innen sowie der Logik von Profitmaximierung und Massenschlachtung. Der Text findet sich zum kostenlosen Download hier birke-fleischindustrie-vorveroeffentlichung-heft-28-pdf.

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