100 Jahre Novemberrevolution
„Auf tausend Kriege kommen keine zehn Revolutionen: So schwer ist der aufrechte Gang.“ In diesem Satz wies Ernst Bloch auf die Bedeutung von sozialen Erhebungen hin, aber auch auf die Schwierigkeiten eines Kampfs für eine Gesellschaft ohne Klassen, ohne Rassismus und ohne Sexismus. Von Zeitgenoss_innen wurde der Aufstand des Jahres 1918 oft als Niederlage gesehen, im Angesichts der Morde der Konterrevolution und des Verrats der Spitzen der Arbeiter_innenbewegung. Es blieb und bleibt ein unabgeschlossenes Ereignis, eine unvollendete Demokratisierung – und auch dies hat zweifellos Spuren in Blochs Zitat hinterlassen. Doch es ist auch wahr, dass der Blick auf die spektakulären politischen Ereignisse des Novembers leicht den Blick verstellt. Alltagsereignisse, die den Aufstand überhaupt erst ermöglichten, geraten in Vergessenheit: Die Hungeraufstände in den deutschen Städten, die, getragen vor allem von Frauen und jungen Menschen, bereits im Jahr 1916 stattfanden! Die Deserteure des Weltkriegs, denen viel später zum Beispiel Oskar Maria Graf ein Denkmal gesetzt hat! Die Streikenden in der Rüstungsindustrie, bereits ein Jahr vor der Revolution! Wenn wir an die Novemberrevolution denken, dann denken wir auch an diese Geschichten. Sie haben ihre Aktualität in vieler Hinsicht leider kaum eingebüßt. In Ausgabe 23 unserer Zeitschrift plädiert Rüdiger Hachtmann deshalb für eine Erweiterung und Aktualisierung unserer Revolutionshistoriographie. In Heft 12 hat Antonio Farina die Produktionsverhältnisse und Konflikte auf Bremer Werften untersucht, die ein wichtiger Ort der Rätebewegung waren. In Heft 17 rezensiert Christoph Gollasch die Veröffentlichung Felix Bluhms zur Streik- und Sozialisierungsbewegung im Ruhrgebiet 1918/19. Hinweisen dürfen wir an dieser Stelle aber auch auf einen Beitrag einer befreundeten Zeitschrift: Arbeit, Bewegung, Geschichte hat in einem Dossier Beiträge zur Novemberrevolution zusammengefasst.