Am 27. Oktober 2025 verstarb Mathias Deichmann. Er war der Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts langjährig verbunden und seine Biographie ist nicht zuletzt in der Geschichte der sozialen Kämpfe seit den 1960er Jahren verankert. In einem Nachruf würdigt Karl Heinz Roth seine vielseitige Persönlichkeit und sein Schaffen: Wir geben an dieser Stelle den zuerst auf der Homepage der Stiftung veröffentlichten Text wieder.
Archiv der Kategorie: Allgemein
Rede gegen den Krieg bei VW
Hervorgehoben
Auf der Webseite von Labournet.TV wurde jetzt eine Rede des Betriebsratsmitglieds Lars Hirsekorn veröffentlicht, der im Rahmen der Betriebsversammlung VW Braunschweig am 2. September 2025 das Problem der Militarisierung der Autoindustrie aufgegriffen hat. Zitat: „Die Weltmärkte der Automobilindustrie sind gesättigt. Egal ob in China, Europa oder den USA, überall stehen hunderttausende Autos unverkauft rum und bedrohen die Dividenden der Aktionäre. Schon seit Jahren wissen die Familien Piech, Porsche, Quandt und Musk nicht mehr, wie sie ihre Milliarden noch gewinnbringend anlegen sollen. (…) Und jetzt haben sie eine neue Anlagemöglichkeit entdeckt, eine Ware die ständig neu produziert werden muss und deren Markt im Falle eines Falles unersättlich ist. Die Familie Porsche möchte wieder Waffen produzieren.“ Die komplette Rede findet sich hier, auf Labour.net.TV empfehlen wir außerdem die Sonderseite zum Thema „Antimilitarismus im Betrieb“.
Eben erschienen: Sammelband zum Einsatz italienischer Arbeiter:innen im NS
Wir möchten Euch auf eine Neuerscheinung zum Einsatz italienischer Arbeitskräfte in der NS-Kriegswirtschaft hinweisen. Der von unserer Redakteurin Freia Anders mit herausgegebene Sammelband bietet neben einem systematischen Überblick unseres Autors Karl Heinz Roth über Italiens Beitrag zur deutschen Kriegswirtschaft ausgewählte Texte aus der jahrelangen Arbeit der Forschungsgruppe der „Associazione Nazionale Reduci dalla Prigionia, dall’Internamento, dalla Guerra di Liberazione e loro familiari“ (ANRP). Die Gruppe um den Mitherausgeber Brunello Mantelli präsentierte ihre Ergebnisse im Dezember 2022 im Rahmen einer von Sozial.Geschichte Online unterstützten Tagung. Hier sind sie erstmals in deutscher Sprache zugänglich: Freia Anders, Brunello Mantelli (Hrsg.): Von „Arbeitskameraden“ zu „Badoglioschweinen“. Italienische Arbeitskräfte in der NS-Kriegswirtschaft 1938-1945, Wiesbaden: VS Springer 2025, DOIhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-47272-6. Zum Inhalt geht es hier.
Vorveröffentlichung: „Kampf dem Heimterror“
In der Forschung zu „1968“ ist die Heimkampagne ein feststehender Begriff. Theoretisch unterfüttert von Herbert Marcuses Randgruppentheorie unterstützten akademische Jugendliche die weitgehend proletarische Jugend in den Lehrlings- und Erziehungsheimen in ihren Revolten. Der Beitrag von Andreas Fink, Markus Griesser, Kevin Heiniger und Sabine Stange aus dem in Kürze erscheinenden Heft 38 von Sozial.Geschichte Online, den wir hier vorveröffentlichen, bietet erstmals eine internationale Zusammenschau regionaler sozialer Bewegungen und der Folgen dieser Proteste, die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in drei deutschsprachigen Ländern – Westdeutschland, Österreich und Schweiz – stationäre Einrichtungen öffentlichkeitswirksam kritisierten.
Damit steht dieser Beitrag in einer Reihe von Veröffentlichungen in Sozial.Geschichte Online, die sich mit Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Fürsorgeanstalten auseinandersetzen – 2016 beschäftigte sich Sylvia Wagner mit illegalen Medikamentenstudien an Heimkindern ab den 1950er Jahren, 2022 Anja Röhl mit der systematischen Gewalt an sogenannten Verschickungskindern in Kinderkuren in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte.
Der Fall des derzeit wegen gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen vor Gericht stehenden Kinderpsychiaters Winterhoff zeigt, dass diese Thematik nicht der Vergangenheit angehört (siehe auch die ARD Dokumentation).
Neues Dossier: Migration
Die aktuelle soziale, ökologische und geopolitische Krise verändert auch Migrationsverhältnisse. In den USA wie der EU steht Migrationsabwehr ganz oben auf der Tagesordnung des politischen Mainstreams wie der politischen Rechten. In einem unter anderem durch die Trumps und Putins dieser Welt angestrebten Umbau der (dann noch immer) kapitalistischen Ordnung erscheint ein reformulierter und zugespitzter Rassismus als zentrales Moment. In Sozial.Geschichte Online werden diese Tendenzen seit langem beschrieben und analysiert. Unser neues Dossier zum Stichwort „Migration“ gibt eine Übersicht über die Beiträge zum Thema seit 2009.
Aufrufe zur Wahl der Linken
Immer mehr Krise überall – weltweit eskalierende Konflikte und Aufrüstung, erstarkender Autoritarismus und Faschismus, Klimakatastrophen, Militarisierung der Grenzen, soziale Kürzungen und Umverteilung von unten nach oben umrahmt von in jeglicher Hinsicht menschenfeindlichen Diskursen mit all ihren (un-)mittelbar lebensbedrohlichen Konsequenzen … Vor diesem Hintergrund unterstützen wir zwei Aufrufe zur Wahl der Linkspartei bei der anstehenden Bundestagswahl: den Aufruf der außerparlamentarischen Linken aus dem Umfeld des AK Geschichte Soziale Bewegungen Ost-West und den Aufruf der Wissenschafter*innen aus dem Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Bei aller Kritik, die wir dieser Partei gegenüber haben, und im Wissen darum, wie flexibel auch linke Parteien in ihren Grundsätzen sein können, wenn es um eine Beteiligung an der Macht im parlamentarischen System geht – die gegenwärtige Situation ist jedoch: fehlt eine linke Opposition im Bundestag droht die bürgerliche Mitte noch weiter nach rechts zu rücken, wird die Normalisierung rechter Ideologie vermutlich kein Halten mehr kennen.
Zwischen Migrationsabwehr und Arbeitskräftemangel. Anmerkungen zur aktuellen Debatte
Die aktuelle Migrationsdebatte überschreitet immer mehr die Grenzen des bislang Denkbaren. Mit einem Fünf-Punkte-Programm will die CDU/CSU nicht nur die letzten Spuren des Humanismus aus der Flüchtlingspolitik beseitigen, sie droht zudem in dieser Frage offen mit einem Pakt mit Rechtsaußen. Zeit, darauf hinzuweisen, dass die soziale Infrastruktur ebenso wie die kapitalistische Wirtschaft hierzulande von der Ausbeutung migrantischer Arbeitskraft abhängt. Aber kann das Argument der „Nützlichkeit“ von Migration wirklich dabei helfen, die laufende Eskalation des Rassismus zurückzudrängen? Die Migrationsforscherin Janika Kuge und unser Redakteur Peter Birke plädieren in diesem Essay für eine kritische Sicht, in der Ausbeutung und Rassismus als zwei Seiten einer Medaille gefasst werden. Unsere Vorveröffentlichung zu Heft 38 von Sozial.Geschichte Online findet sich hier: Birke_Kuge_Grenzregime_Vorveröffentlichung_SGO_38
Strange Dreams
Unser langjähriges früheres Redaktionsmitglied Max Henninger hat seinen ersten Roman mit dem Titel Strange Dreams veröffentlicht. Dazu gratulieren wir ihm von Herzen! Der Roman spielt im Berlin der Jahre vor der Pandemie, führt die Leser:innen aber unter anderem auch nach Buenos Aires, wo die Spuren der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 noch unübersehbar sind, und in eine linksradiale Lissaboner Leihbibliothek. Erhältlich in Buchhandlungen mit englischsprachiger Literatur oder direkt über den Verlag bestellbar: https://orbistertiuspress.ca/works.
Unterstützt die Graswurzelrevolution!
Die Zeiten für linke Zeitschriften werden härter – als Plattformen der Gegenöffentlichkeit und Solidarisierung ist ihre Bedeutung ungebrochen hoch. Die Graswurzelrevolution kämpft derzeit mit drängenden Finanzierungsproblemen – wenn ihr könnt: Unterstützt die anarchistische Zeitung mit einem Abo oder einer Spende. Hier gehts zum Hilferuf der Redaktion.
Sozialismus oder Barbarei
In Zeiten sich weltweit zuspitzender Kriege und Krisen wird die Erneuerung und Ausweitung einer konsequent antimilitaristischen und internationalistischen Perspektive für alle, die auf Seiten der Emanzipation stehen und kämpfen, immer dringlicher. Dabei lohnt es sich, „einen Schritt zurückzutreten“ und die gegenwärtigen Entwicklungen „in einen größeren Zusammenhang zu stellen“, wie Michael Hardt und Sandro Mezzadra in ihrem kürzlich auf dem Blog Sidecar der Zeitschrift New Left Review veröffentlichten Artikel betonen. In diesem (von unserem Redakteur Lars Stubbe übersetzten) Text „Ein globales Kriegsregime“ entwickeln sie hierfür einen Vorschlag. Ein ähnliches Anliegen liegt den im April 2024 von der Initiativgruppe Sozialismus oder Barbarei vorgelegten „Fünfzehn Thesen für einen neuen Antiimperialismus“ zugrunde. Wir als Redaktion der Sozial.Geschichte Online veröffentlichen beide Texte zur Dokumentation und um zur Diskussion anzuregen. Weiterlesen
Nachruf Gerd Callesen (1940–2023)
Unser Autor Gerd Callesen, der als Historiker u.a. zur deutschen und dänischen Arbeiter:innenbewegung geforscht und an der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA²) mitgearbeitet hat, ist im November des vergangenen Jahres in Wien verstorben. Gerd war nicht nur einer jener transnational vernetzten Historiker:innen, die ihre wissenschaftliche Arbeit und ihr politisches Engagement für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Klassen niemals trennten, sondern auch ein freundlicher und solidarischer Kollege. Wir werden ihn vermissen. Ein von Detlef Siegfried verfasster ausführlicher Nachruf, der auch in der Zeitschrift Arbeiterpolitik erschienen ist, findet sich hier:
Nachruf auf Antonio Negri (1933–2023)
Anlässlich des Todes von Antonio Negri haben unsere Freund*innen von der Zeitschrift Officina Primo Maggio einen Nachruf verfasst, den wir hier auf Deutsch veröffentlichen: „In der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember [2023] ist Toni Negri verstorben. Mit ihm verstirbt der letzte der Väter des Operaismus, nur wenige Monate nach Mario Tronti. Um sich seiner zu erinnern, wird es Zeit brauchen, denn er war unter verschiedenen Aspekten eine herausragende Figur… Weiterlesen
Aufruf zu Vereinsmitgliedschaft und Spenden
Hervorgehoben
Geschichte ist politisch und umkämpft. Um weiterhin kritischer Geschichtsschreibung eine Plattform zu bieten und Teil einer politischen Gegenöffentlichkeit zu sein, brauchen wir 100 neue Vereinsmitglieder und Spenden, damit die Zeitschrift Sozial.Geschichte Online längerfristig auf soliden Füßen steht. Unsere Zeitschrift ist kostenfrei auf dem Open-Access-Publikationsserver der Universität Duisburg-Essen zu finden. Wir rufen alle Leser:innen auf, uns zu unterstützen. Mehr Informationen unter: Weiterlesen
Nachruf auf Thomas Kuczynski (1944–2023)
Am 19. August 2023 verstarb Thomas Kuczynski. In ihrem Nachruf würdigen Angelika Ebbinghaus, Marcel van der Linden und Karl Heinz Roth das Lebenswerk des international bekannten Ökonometrikers und Wirtschaftshistorikers, mit dem sie eine enge Zusammenarbeit und Freundschaft verband. So verfasste Thomas Kuczynski im Auftrag der Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts ein Gutachten zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter*innen, das großes Aufsehen erregte und die quantitative Seite der Entschädigungs- und Reparationsfrage auf eine neue Grundlage stellte. Der Nachruf ist auf der Homepage der Stiftung veröffentlicht.
Proteste gegen die Verlängerung der Lohnarbeit. Ein Pariser Demonstrationstagebuch
Im Frühjahr 2023 verbrachte Ingrid Artus einen längeren Aufenthalt in Paris, wo sie an den massiven Demonstrationen gegen die Renten-„Reform“ teilnahm. Was sie dort sah und erlebte, hielt sie schriftlich fest. Ihr Bericht wirft ein interessantes Schlaglicht auf einen Konflikt, der zwar vorerst im Sinne der Herrschenden „gelöst“ wurde, der aber sicher noch lange Nachhall in den französischen Bewegungen finden wird – auch wenn mit der Tötung eines Jugendlichen Ende Juni 2023 ein anderer Aspekt staatlicher Gewalt in der französischen Gesellschaft wieder in den Fokus rückte. Weiterlesen
Nachruf auf Adolfo Gilly (1928–2023)
Am 4. Juli 2023 starb Adolfo Atilio Gilly Malvagni in Mexiko-Stadt. Der in Europa wohl vornehmlich unter Lateinamerikawissenschaftler:innen bekannte Historiker trug mit seinem Werk wesentlich zu einer kritischen Historiographie der mexikanischen Revolution bei. Unser Redakteur Lars Stubbe erinnert in einem Nachruf an den militanten Intellektuellen und Chronisten der mexikanischen Revolution.
Arbeit und Migration: Tagung am 5./6. Mai in Frankfurt am Main
Am Institut für Sozialforschung findet am 5./6. Mai eine Tagung statt, deren Veranstalter:innen „prekäre Arbeits- und Lebenskonstellationen von Migrant:innen“ sowohl theoretisch als auch empirisch fundiert diskutieren wollen. Unter den Vortragenden befinden sich mit Johanna Neuhauser, Christian Sperneac-Wolfer und Peter Birke gleich drei Autor:innen, die in unserem aktuellen Heft 34 Beiträge zu oben genannten Themen verfasst haben. Mehr Informationen über die Tagung und eine Möglichkeit der Anmeldung gibt es hier. Und hier geht es zum Programm:
In eigener Sache: Wir brauchen Unterstützung!
Sozial.Geschichte Online ist eine weitgehend durch ehrenamtliche Arbeit erstellte, kostenfrei zugängliche Publikation, die dennoch in der Herstellung keinesfalls umsonst ist. Anlässlich des Jahresendes deshalb unsere dringende Bitte: Unterstützen Sie / unterstütze Du uns bitte! Dafür gibt es viele Möglichkeiten: Sie können / Du kannst Texte einreichen, Mitglied in unserem Verein werden und die Papierausgabe der Zeitschrift regelmäßig beziehen. Oder Sie können / Du kannst auch einfach nur (steuerabzugsfähig) spenden. Weitere Infos und Kontaktdaten finden sich hier.
Den Kriegsdienst verweigern – in Russland, der Ukraine, überall …
Connection e.V. unterstützt seit vielen Jahren Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus und in aller Welt. Auch im Krieg, den Russland aktuell gegen die Ukraine führt, steht die Initiative auf der Seite der Verweigerer. Wir sprachen mit Rudi Friedrich, einem Gründungsmitglied des Vereins, darüber, welche Bedeutung Desertion in diesem Krieg hat, welche Behandlung Deserteure in ihren Herkunftsländern und im Exil erfahren und wie sie in der Bundesrepublik aufgenommen werden. Das Gespräch endet mit der Frage, was Kriegsdienstverweigerung zur Beendigung dieses Kriegs beitragen kann. Der Betrag ist Nr. 2 von 3 in einer kleinen Reihe von Interviews zu Perspektiven auf den Krieg des russischen Staates gegen die Ukraine „von unten“. Davor haben wir die Gruppe Karmína zu ihrer Analyse der Situation der ukrainischen Arbeiter:innenklasse befragt. Beide Text erscheinen in Heft 34 von Sozial.Geschichte Online, das Interview mit Connection findet sich hier:
Migration and Work – Theoretical Perspectives under the Impression of Multiple Crises
In many countries, including Germany and Austria, the pandemic has both exposed and generated conflicts around migrant labor. Social.History Online has published several texts on struggles of migrant workers since March 2020, including analysis of conflicts over mass infections or labor unrest in agriculture or the meat industry. Johanna Neuhauser and Peter Birke discuss theoretical perspectives with which this cycle of conflicts can be read. For a better understanding of the perspectives of anti-racist and workplace struggles, they suggest to connect critical migration and labor research. The text is a pre-publication of issue 34 of our journal, which will be published in spring 2023. Free download here: