Über 17.000 Menschen aus Mosambik kamen zwischen 1979 und 1989 zum Arbeiten in die DDR. Nach dem Mauerfall mussten die meisten von ihnen das Land überstürzt verlassen. Seit mehr als 30 Jahren fordern sie die Auszahlung der ihnen zustehenden in der DDR einbehaltenen Lohnanteile, Rentenansprüche und sonstigen Sozialleistungen. Ein offener Brief an die Bundesregierung unterstützt dies und kann hier unterschrieben werden: https://bit.ly/2RoflPf.
Über 17.000 Menschen aus Mosambik kamen auf der Grundlage staatlicher Abkommen zwischen 1979 und 1989 zum Arbeiten in die DDR. Nach dem Mauerfall und mit der deutschen Einheit mussten die meisten von ihnen das Land überstürzt verlassen – sei es, weil sie abgeschoben wurden, oder weil sie arbeits- und wohnungslos geworden waren und eine enthemmte rassistische Gewalt für sie lebensbedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Nach ihrer Rückkehr nach Mosambik sollten ihnen eigentlich die in der DDR einbehaltenen Lohnanteile, Rentenansprüche und sonstige Sozialleistungen ausgezahlt werden. Dazu kam es allerdings nicht. Im postkolonialen Machtgefälle waren die den Arbeiter*innen zustehenden Gelder stattdessen größtenteils mit den Schulden des mosambikanischen Staates bei der DDR verrechnet worden. Seit mehr als 30 Jahren setzen sich die Zurückgekehrten (die sogenannten Madgermanes) in selbstorganisierten Strukturen dagegen zur Wehr und fordern Gerechtigkeit. Der von Christine Bartlitz (ZZF Potsdam) und Isabel Enzenbach (TU Berlin) initiierte Offene Brief an die Bundesregierung unterstützt diese Forderung und kann hier unterschrieben werden: https://bit.ly/2RoflPf. Mehr Informationen zum Offenen Brief und den Hintergründen unter: https://zeitgeschichte-online.de/kommentar/fuer-entschaedigungszahlungen-die-ehemaligen-mosambikanischen-vertragsarbeiterinnen.
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Dokumentarfilm „Viele habe ich erkannt. Gedächtnisprotokoll eines mosambikanischen Kontraktarbeiters aus Mosambik“ (BRD, 1992, 25 Min), von Helmut Dietrich, Julia Oelkers und Lars Maibaum, Produktion: autofocus Videowerkstatt.
Manuel Alexandre Nhacutou war einer dieser Arbeiter. 1983 verließ er die VR Mosambik und begann in Lauchhammer eine Ausbildung zum Betriebsschlosser. 1986 wurde er nach Hoyerswerda versetzt und arbeitete dort im VE Braunkohlenkombinat Senftenberg (nach der Privatisierung 1990: Lausitzer Braunkohle AG/LAUBAG) – bis zum September 1991, als hier der erste rassistische Pogrom im vereinten Deutschland ausbrach. Weil er keine Perspektive mehr sah, ging er zurück nach Maputo. Wie viele andere kämpfte er dort vergeblich um die Auszahlung seines zu DDR- Zeiten einbehaltenen und transferierten Lohnes. In den letzten Jahren war sein Leben geprägt von Arbeitslosigkeit, prekärem Einkommen und mangelnder Gesundheitsversorgung. Er starb am 10. September 2016 in Maputo (siehe Nachruf auf apabiz).
Im Dokumentarfilm „Viele habe ich erkannt“ schildert Manuel Alexandre Nhacutou im Jahr 1992 die von ihm erlebten Arbeits- und Lebensbedingungen, erzählt von den deutschen Kolleg*innen und Nachbar*innen, von der Betriebsleitung, von dem, was nach dem Pogrom passierte. Im Film wird das Pogrom von Hoyerswerda nicht als isoliert zu betrachtendes Phänomen dargestellt, sondern in den Kontext der Alltagserfahrung eines Schwarzen Menschen in (Ost)Deutschland gestellt. Er versucht klarzustellen, dass die Ursachen der rassistischen Gewalt eben nicht bei sozialen Problemen, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot liegen.
Zum Hintergrund des Pogroms gehörten der Lohnbetrug durch die LAUBAG und die im Einigungsvertrag festgeschriebene Ungleichbehandlung der DDR-„Vertragsarbeiter*innen“ im Vergleich zu den BRD-„Gastarbeiter*innen“. Das in der Bundesrepublik bereits vor den Einigungsverhandlungen im Frühjahr 1990 festgelegte, für den 1. Januar 1991 geplante Inkrafttreten eines neuen, restriktiv reformulierten Ausländergesetzes besaß für das Beitrittsgebiet – zum Nachteil für eine Aufenthaltsverfestigung der Arbeitsmigrant*innen der DDR – faktisch bereits mit dem 3. Oktober 1990 Gültigkeit. Beides, der Lohnbetrug wie die staatlich forcierte Ausreise- bzw. Abschiebebewegung, wurde von den Bewohner*innen Hoyerswerdas gewaltsam mit durchgesetzt. Das Pogrom in Hoyerswerda richtete sich nicht nur gegen die Arbeitsmigrant*innen sondern auch gegen die Asylbewerber*innen der Stadt und wurde – neben dem Pogrom in Rostock 1992 – zum Fanal der faktischen Abschaffung des Asylrechts in Deutschland.
Zu den tagelangen Angriffe auf die Unterkünfte von mosambikanischen Arbeiter*innen und Geflüchteten in Hoyerswerda im September 1991 siehe auch die Webdokumentation https://www.hoyerswerda-1991.de/1991/angriffe.html; Sebastian Dörfler und Julia Fritzsche, „‚Klar haben wir uns gewehrt!‘ Interview mit Samuel Nkumi, der die rassistische Gewalt in Hoyerswerda vor 25 Jahren überlebte“, in: ak – analyse & kritik. zeitung für linke debatte und praxis 9/16 (20. September 2016). Online unter: https://archiv.akweb.de/ak_s/ak619/29.htm.
Zur Instrumentalisierung der rassistischen Anschlägen und Pogromen Anfang der 1990er Jahre für die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl siehe Ronja Oltmanns in SGO #27.