Call for Papers: Arbeit und Migration

Ein Aufruf zur Diskussion in Sozial.Geschichte Online

Nach dem „Sommer der Migration“ im Jahr 2015 hat es verschiedene Versuche der EU-Mitgliedsstaaten gegeben, das europäische Grenzregime zu erneuern. Zugleich wurde – unter den Bedingungen der Austeritätspolitik – der Versuch unternommen, Geflüchtete nach dem Gesichtspunkt der Verwertbarkeit ihrer Arbeitskraft zu sortieren. In der Folge kam es überall in Nordeuropa, und nicht zuletzt in der Bundesrepublik, zu einer verstärkten Verknüpfung von Aufenthaltsrechten, dem Paradigma der Aktivierung (durch Arbeit) sowie der Ausbeutung in Arbeitsverhältnissen.

So stellt das im Sommer 2016 diskutierte und durchgesetzte Integrationsgesetz nicht nur eine Antwort auf den erlebten Kontrollverlust des Vorjahres sowie eine Aufnahme von Elementen des Diskurses der extremen Rechten in staatliche Politik dar. Es setzt zugleich auf die bereits seit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 erneuerte Tendenz fort, Aufenthaltsrechte mit der Verwertung von Arbeitskraft zu verknüpfen.

Vor diesem Hintergrund haben wir auf unserer Homepage und in Heft 20 von Sozial.Geschichte Online zwei Texte veröffentlicht: Die Basisdemokratische Linke Göttingen diskutierte in ihrem Beitrag Arbeit um jeden Preis die arbeitspolitischen Wirkungen des Integrationsgesetzes und betonte dabei vor allem die Notwendigkeit einer praktischen Kritik am entstehenden Workfare-Regime. Die Hamburger Gruppe Blauer Montag setzte sich in ihrem Beitrag „Flüchtlingskrise“ und autoritäre Integration mit den Folgen und den Perspektiven der sogenannten Flüchtlingskrise des Jahres 2015 auseinander, nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus, dass die bundesdeutsche Linke bislang kaum Alternativen zu der sich entwickelnden „autoritären Integration“ formuliert hat. Offen ist, welchen Verlauf die Konflikte haben werden, die im Rahmen der Forderung nach einer Inwertsetzung der Arbeitskraft neuer Migrant_innen sowie der sozialen Neuzusammensetzung der Arbeiter_innenklasse insgesamt entstehen: Derzeit zeigen sich erste Formen kollektiver Organisierung von neuen Migrant_innen, die sich auf den Zugang zu sozialen Rechten, sozialem Einkommen, aber auch auf die Forderung nach angemessener Entlohnung und würdigen Arbeitsbedingungen beziehen. Andererseits gibt es – auch innerhalb der Arbeiter_innenklasse – neben der Solidarisierung mit neuen Migrant_innen rechte und rassistische Mobilisierung.

Sozial.Geschichte Online will der Frage nachgehen, was die Neuregulierung des Verhältnisses zwischen Arbeit(szwang) und Aufenthaltsrechten für diese Konflikte bedeutet – und wie andersherum solche Konflikte die Kräfteverhältnisse verschieben helfen. Wir würden uns deshalb über Beiträge freuen, die Erfahrungen aus sozialen Kämpfen für eine Verbesserung der Arbeits- wie allgemeinen Lebensverhältnisse, aber auch Erfahrungen aus dem Alltag zwischen „Praktikum“, „Flüchtlingsintegrationsmaßnahme“ und / oder illegalisierter Beschäftigung einbeziehen. Wichtig wäre uns eine auf diese Erfahrungen bezogene Auseinandersetzung mit den aktuell entstehenden Herausforderungen und Perspektiven für eine linke, emanzipatorische Klassenpolitik.

Eine solche Debatte legt darüber hinaus aber auch eine breite Kontextualisierung nahe. Wir freuen uns deshalb auch über Beiträge, die eine transnational vergleichende wie historisierende Perspektive ermöglichen: Welche Rolle spielt etwa das Workfare-Regime im „Migrationsmanagement“ europäischer Länder insgesamt? Wie und inwiefern lässt sich – auch theoretisch – das Verhältnis von Grenzregime und Arbeitsregime fassen? Wie kann das Verhältnis von dem, was wir bis vor kurzen als „Autonomie der Migration“ verstanden haben, mit einer Perspektive verbunden werden, die Autonomie / Heteronomie in Arbeitsprozessen beziehungsweise Arbeitskämpfen diskutiert? Sind Erfahrungen mit der Neuzusammensetzung der Migration in dem, was aktuell häufig als „Gastarbeitsregime“ bezeichnet wird, in der Analyse der aktuellen Migration nützlich (beziehungsweise überhaupt relevant)? Und sind historische soziale Kämpfe interessant, wenn wir aktuell etwas über die „Kämpfe der Migration“ erfahren wollen?

Die Beiträge können in Form von Forschungsaufsätzen, Diskussionsbeiträgen oder zeitgeschichtlichen Analysen jederzeit eingereicht werden.

Redaktionsschluss für Heft 22 ist der 31. August 2017, für Heft 22 der 31. Dezember 2017.

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