Heft 15 ist erschienen

Die aktuelle Ausgabe von Sozial.Geschichte Online kann als PDF auf DuEPublico angesehen und heruntergeladen werden. Sie erscheint inmitten eines organisatorischen Umbaus der Redaktion, von dem wir uns eine reibungslosere Heftproduktion erhoffen und über den wir im Laufe des Jahres mehr zu berichten haben dürften.

Die Ausgabe versammelt neben einem Nachruf auf den 2014 verstorbenen Komponisten Konrad Boehmer und Rezensionen neuerer historischer und sozialwissenschaftlicher Literatur zwei Forschungsaufsätze, die sich mit Aspekten der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus auseinandersetzen sowie zwei zeitgeschichtliche Essays, die sich jeweils aus aktuellem Anlass mit den Friedensverhandlungen zwischen FARC und kolumbianischer Regierung beziehungsweise mit der Vereinnahmung linker Musiktraditionen durch den deutschen Neonazismus befassen.

Christian Hartz geht in seinem Forschungsbeitrag der jahrzehntelangen Verweigerung von Entschädigungsleistungen für ehemalige ZwangsarbeiterInnen nach und fragt, wie die seit Gründung der Stiftung „Erinnerung Verantwortung Zukunft“ veränderte Situation einzuschätzen sei: Inwiefern ist das teilweise Einlenken der deutschen Industrie gegenüber Entschädigungsforderungen ehemaliger ZwangsarbeiterInnen als Modernisierung einer im Kern unrevidierten „Schlussstrichpolitik“ zu verstehen?

Roman Fröhlich untersucht anhand des Rostocker Unternehmers Ernst Heinkel, wie Auseinandersetzungen mit der lokalen Geschichte der Zwangsarbeit durch hartnäckige Mythen und Beschönigungen erschwert werden. Fröhlichs Aufsatz rekonstruiert den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen in Heinkels Rostocker Flugzeugwerk und den Umgang mit diesem historischen Faktum nach 1945: durch Heinkel selbst, in der DDR und seit den 1990er Jahren.

In der Rubrik „Zeitgeschehen“ berichtet Sven Schuster über die aktuellen Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der seit mittlerweile einem halben Jahrhundert aktiven FARC-Guerilla. Schuster betont die wichtige Rolle, die unterschiedliche Sichtweisen auf die kolumbianische Geschichte und insbesondere auf die Entstehung der FARC im gegenwärtigen Friedensprozess spielen.

Ebenfalls in der Rubrik „Zeitgeschehen“ erzählt Walter Mossmann in seinem Essay, wie er auf das Entwenden seiner im Kontext linksradikaler Bewegungen der 1970er Jahre entstandenen „Flugblattlieder“ durch neonazistische Liedermacher aufmerksam geworden ist. Mossmann nimmt dies zum Anlass, genau zu prüfen, wie solche Entwendungen vor sich gehen und welche Folgen sie haben.

In der Rubrik „MEGA2“ erläutert Hans-Norbert Lahme Entstehungsgeschichte und Inhalt des zuletzt erschienenen Bandes der Karl Marx / Friedrich Engels Gesamtausgabe (MEGA2), der den Briefwechsel von Friedrich Engels zwischen dem Oktober 1889 und dem November 1890 zum Gegenstand hat.
Die Rubrik „Rezensionen“ beginnt mit Anika Walkes englischsprachiger Besprechung des von Jürgen Hensel und Stephan Lehnstaedt herausgegebenen Buches Arbeit in den nationalsozialistischen Ghettos (Osnabrück 2013). Das Buch versammelt zahlreiche Aufsätze, deren AutorInnen die innere Struktur der nationalsozialistischen Ghettos in Osteuropa analysieren und anhand von Beispielen aus verschiedenen Regionen die Rolle von Arbeitszwang, Zwangsarbeit, Pflichtarbeit und Arbeitsdienst für das Leben der in den Nazi-Lagern und anderswo Internierten untersuchen.
Wolfgang Hien bespricht Gine Elsners Buch Staatstragende Arbeitsmedizin. Franz Xaver Koelsch (1876–1970), Bayerischer Landesgewerbearzt von der Monarchie bis zur Bundesrepublik (Hamburg 2014). Elsner schildert das Leben und Werk des prominenten staatlichen Arbeitsmediziners und gläubigen Katholiken Koelsch, der „wesentliche Beiträge zur Leistungs- und Selektionsmedizin“ leistete, sich mit dem Nationalsozialismus arrangierte und sich noch in der Bundesrepublik zum „Nestor der Arbeitsmedizin“ stilisierte – einer Form der Arbeitsmedizin, die rassistische Kategorien verwendet und Berufserkrankten „Unterwertigkeit“ bescheinigt.
Sarah Graber Majchrzak kommentiert Andrea Komlosys Buch Arbeit. Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert (Wien 2014). Komlosy kritisiert die eurozentristische Meistererzählung zur Arbeit aus einer feministischen und globalgeschichtlichen Perspektive. Im ersten Teil des Buches beschäftigt sie sich unter anderem mit unterschiedlichen Diskursen zur Überwindung der Arbeit, zu ihrer Transformation und zum „Lob der Arbeit“, im zweiten Teil stehen temporal-lokal unterschiedliche Arbeitsverhältnisse, die Reproduktion regionaler Ungleichheiten und Migrationsprozesse im Mittelpunkt.
Den Schluss bilden drei kurze Besprechungen von Bernd Hüttner. Wilma Aden-Grossmann beschreibt in ihrem Buch Monika Seifert. Pädagogin der antiautoritären Erziehung. Eine Biografie (Frankfurt 2014), wie Seifert in den 1960er Jahren Wilhelm Reich und die antiautoritäre Pädagogik des Briten Alexander S. Neill entdeckte und später in Frankfurt am Main die Gründung freier Kinderläden und -schulen initiierte. Das von Heike Kempe herausgegebene Buch Die „andere“ Provinz. Kulturelle Auf- und Ausbrüche im Bodenseeraum seit den 1960er Jahren (Konstanz / München 2014) versammelt unterschiedliche Beiträge zu „1968“ und seinen Folgen in der Bodenseeregion. Den abschließend annotierten Sammelband The City Is Ours: Squatting and Autonomous Movements in Europe from the 1970s to the Present (Oakland 2014) haben Bart van der Steen, Ask Katzeff und Leendert van Hoogenhuijze herausgegeben. Er enthält Beiträge zu Hausbesetzungen in sieben Ländern.
Wir wünschen eine anregende Lektüre!